Gestern morgen geschah sie, DIE Katastrophe, vor der ich mich mit am meisten gefürchtet habe.
Schon seit ca. 2 Wochen habe ich Schmerzen am wichtigsten Zahn in meinem Eßzimmer. Mit Metall-Käppchen versehen bildet er die linke Verankerung meiner Unterkieferbrücke. Ich hatte eigentlich ganz naiv gehofft, dass ich das bis zu unserem Nachhausekommen im Frühjahr aushalten könnte. Jeder, der mich kennt, weiß, dass der Zahnarzt für mich seit mehr als 60 Jahren der gefürchtetste Mann ist und der Besuch einer Zahnarztpraxis einem Horrortrip gleicht.

Seit einigen Tagen lagen die Schmerzen im Bereich des Erträglichen und den Biß in knackige Äpfel oder knuspriges Brot habe ich mir wohlweislich verkniffen. Trotz alledem passierte es dann gestern morgen beim Zähneputzen; irgendwann hatte ich mehrere Kleinteile im Mund und ein klaffendes Loch dort, wo dieser ach so wichtige Zahn früher mal gesessen hatte.
So ist nun der Weg zum Zahnarzt unvermeidbar. Und hier spricht natürlich kein Mensch Deutsch!!!! NEIN, ich hatte auch keine Lust, ca. 100 km weit zu fahren zu dem deutschen Zahnarzt in Roquetas de Mar, mit dem ich mich zwar in meiner Muttersprache verständlich machen kann, der aber so ein geldgieriger Armleuchter ist, der mit Sicherheit versuchen würde, mir eine neue und teure Gesamtlösung oder sonstwas aufzuschwatzen. Nein, zu dem wollte ich ganz gewiss nicht. Den habe ich vor 4 Jahren kennengelernt und das hat mir gereicht. Was der damals so alles mit mir machen wollte . . . Nein, danke!
Also zogen wir gemeinsam (Roland brauche ich da zur moralischen Unterstützung) mit sehr bescheidenen Spanischkenntnissen zum Zahnarzt hier um die Ecke zur „Clinica Dental Dr. Santiago Rueda Palomar“, der seine Praxis (hier heißen ganz normale Praxen gleich Clinica) in einem Wohnblock in der Innenstadt von Carboneras betreibt.
Der erste Raum, den man betritt ist dann auch schon gleich das Wartezimmer und sieht mit seinen beiden Sofas und dem Bild der Alhambra schon fast gemütlich aus, wenn, ja wenn es sich nicht um eine Zahnarztpraxis handeln würde.
Nach unseren Wünschen befragt, zeigten wir der jungen Sprechstundenhilfe das Teil meines Unglücks und ihre etwas ratlose Mine ließ keinen Hoffnungsschimmer in mir keimen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich Platz nehmen durfte in diesem Stuhl, der für mich ja seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Foltergerät ist.

Das wichtige Teil aus Edelmetall übergab ich voll Vertrauen dem spanischen Zahnarzt, der sich dann aber auch intensiv mit dem „Loch“ im Eßzimmer beschäftigte.
Seine Mimik und das was er sagte (von dem ich natürlich höchstens 10% verstand) machten mir dann ein wenig Mut. So wie ich das interpretierte, wird eine Reparatur wohl noch einmal möglich sein. Aber da waren ja noch die Schmerzen.

Tja, das ist dann erst mal eine eklige Entzündung und ich komme nicht um eine Antibiotika-behandlung drum herum. Dr. Santiago stellte das DIN-A4-Privatrezept aus und wir begaben uns in
die Apotheke. Nun heißt es also dreimal täglich die dicken Brummer schlucken und am Freitag wiederkommen.
Fazit (bis jetzt): Wir sind hier nicht mehr im Mittelalter, wo die Zähne auf dem Marktplatz gezogen wurden und die Qualifikation der Ärzte steht den unseren in nichts nach. Nur - die spanische Zahnbehandlung wird ausschließlich im Notfall beim Ziehen eines Zahns von der Sozial-versicherung getragen. Alles andere zahlt der Patient privat.
Aha, und jetzt wissen wir auch, warum so viele Spanier keine Kauwerkzeuge mehr in ihren Eßzimmern haben und damit hat dann natürlich auch das ohnehin schon labberige Toastbrot ohne Rinde seine Daseinsberechtigung.

So, und jetzt dürft ihr mir alle die Daumen drücken, dass sich die Entzündung langsam verzieht und Doc Santiago den „Anker“ perfekt einzementieren und die Baustelle mit Erfolg schließen kann.
Mal sehen, wieviel dann meine private Auslands-Krankenversicherung zahlen darf.
Ach ja, nicht dass ihr denkt, meine Ängste seien nun vorüber. Nein, sie haben nur bis Freitag Pause!

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Karin S. (Freitag, 16 Januar 2015 08:05)
F...ling - und hoffentlich ein schönes, schmerzfreies Wochenende.
Marlis (Freitag, 16 Januar 2015 17:32)
nö, ausgerechnet heute ist mal kein Frühlingswetter und der heutige Zahnarztbesuch wird mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben. Aber vor allem, wie es weitergehen soll, das bleibt noch ein dunkles Geheimnis des andalusischen Dentisten.
Am Wochenende werde ich dann mit Schmerzmitteln meine "Wunden" lecken und mich ausschließlich von Babynahrung ernähren ;-)