Granatapfel

Es war in einer persischen Shabe-Yalda-Nacht vor genau 20 Jahren, in der sie mich zum ersten Mal verzauberte, die Granada. Bei Freunden durfte ich im Dezember 1993 dieses schöne und traditionsreiche Fest der Wintersonnenwende mitfeiern. Wir aßen nicht nur die herrlichen Früchte miteinander, wir lasen auch in Hafis‘ Divan, was in dieser magischen Nacht eine besondere Bedeutung zukommt.

 

Aber es sind nicht nur die alten Perser, bei denen Granatäpfel solch ein Stellenwert eingeräumt wird. In vielen Weltreligionen wird man ihrer fündig, im Buddhismus, im alten Ägypten, bei den Römern . . . .

Sehr gut gefallen hat mir ihre Erwähnung im Quran, in der Allah sie dem Propheten Muhammad empfahl, um den Geist von Hass und Eifersucht zu befreien.

Im Alten Testament wird sie unzählige Male erwähnt. Sie soll auch die Frucht gewesen sein, mit der Eva den Adam verführte.

In vielen Mariendarstellungen spielt die Granada eine besondere Rolle, z.b. bei Sandro Boticelli (Madonna mit dem Granatapfel) oder auch bei Matthias Grünewalds  Stuppacher Madonna.  

Nun ja, ob es mit meinem ersten Verzehr angefangen hat, dass ich weder Eifersucht noch Hass kenne, das weiß ich nicht mehr. Aber ganz sicher ist, dass sich Männe nicht verführen lässt, wenn ich ihm eine Granada unter die Nase halte. Ach so, nein, nicht von mir verführen lässt, sondern sich von mir dazu verführen lässt, sich an dieser Frucht zu vergreifen. Na, das ganz sicher nicht, denn die Krux ist nämlich, wie komme ich an die Kerne ran? Und glaubt mal nur ja nicht, dass Männe sich jemals solch eine Piddelsarbeit aufhalsen würde.

 

Aber ich puhle sie ganz gerne auf und am liebsten dann, wenn die kleinen Vorabendfilmchen im Fernsehen laufen. Am liebsten löffele ich meine Granaten aus der Schüssel heraus, da bin ich eine ganze Weile mit Essen beschäftigt, ohne dass ich einer schokoladigen Verführung unterliegen kann.

Wie macht man sie nun am einfachsten auf? Schälen?

Anfangs schälte ich vorsichtig ein wenig von der Schale ab und versuchte dann, die Frucht auseinander zu brechen. Das gibt aber auch schon Sauerei genug und so schneide ich heute einen schmalen Keil in die Frucht und breche sie dann auf. Hat man einmal einen Anfang, fallen die „Granaten“ fast wie von selbst heraus.

 

„Warum magst du bloß keine Granatäpfel?

Na klar, du darfst auf den Granaten ja auch nicht herumbeißen!“

Granatapfelkerne zu essen ist wohl eine Kunst für sich und ich nenne es mal einen zärtlichen Akt zwischen Zunge, Zähnen und Gaumen, wobei die Zähne nur ganz vorsichtig eingesetzt werden dürfen. Es ist eher ein Drücken der Fruchtkerne an den Gaumen. Probiert es einfach mal aus.

  

Gerne verarbeite ich sie in Salaten und Obstsalaten, wo sie besonders grüne Salate optisch aufpeppt; bei Süßspeisen kann man sie wunderbar zur Verzierung verwenden

 

Und dann war da noch:

Für Granada, eine meiner liebsten Städte in Spanien hat diese Frucht eine ganz besondere Bedeutung: Sie ist das Wahrzeichen der Stadt und man begegnet ihr hier auf Schritt und Tritt. Unübersehbar ist sie in der ganzen Stadt präsent und findet sich auch im Wappen der Barmherzigen Brüder (gegründet von Juan de Dios, dem Patron Granadas) wieder.

 

Alle Begrenzungspoller innerhalb der Stadt haben die Form einer Granada und auf sämtlichen Straßenschildern findet man ihre Abbildung.

  

Ja, der Granatapfel schmeckt mir nicht nur gut, sondern erinnert mich stets an seine vielfältige Geschichte und vor allem an die Stadt Granada, die mir ganz besonders ans Herz gewachsen ist.

Und soll ich euch noch etwas verraten?

 

Kurz vor Weihnachten machte Roland mir die große Freude und entführte mich ins weihnachtlich geschmückte Granada.