Mit dem Domingo de Ramos (Palmsonntag) beginnt die Semana Santa, die viele Spanier zu einem Kurzurlaub an der Küste nutzen.

Während in unserem Dorf am Meer schon der touristische "Bär" steppt, der Strand von Badenden und Sonnenbadenden bevölkert, die Restaurants knallvoll sind und man in den Gassen des Dorfes keinen Parkplatz mehr bekommt, machen wir uns auf den Weg in die Berge unserer Provinz.

Auch hier sind die Parkplätze belegt, aber im Dorf selbst ist es ruhig wie immer. Nur in der Bar hat sich ein lustiges Völkchen eingefunden; die Mitglieder einer großen Familie, die alle hier im Dorf, wo Eltern und Großeltern wohnen, in der Semana Santa Urlaub machen. Wir fühlen uns wohl in dieser Bar mit den freundlichen Gastleuten und in diesem Dorf fernab des touristischen Trubels inmitten der Alpujarras.
Wir spazieren durch den Ort und nehmen an den ländlich-andalusischen Jueves Santo Feierlichkeiten teil.
Nachfolgend zunächst die Fotos von diesem Tag:

Auf diesem Balkon wird die Sängerin (oder Sänger) stehen, die die Saetas (religiöse Bittgesänge; die eng mit dem Flamenco verwandt sind) darbringen wird

Bei den Stangen, die die Kinder tragen handelt es sich um die Stützen, die bei längeren Paussen (z.b. bei den Saetas) den Paso tragen.

An dieser Stelle wird in Kürze ein kleiner Filmausschnitt eingestellt




Für uns endet dieser Tag hier in Alboloduy und wir fahren zurück in unser Dorf am Meer, wo noch immer so richtig was los ist. Die Straßen sind mittlerweile total zugeparkt und man kommt kaum noch durch. Was mag denn bloß hier los sein?
Na klar, heute abend ist das open-air Flamenco Concert und viele kamen von weit, weit her.

Doch wir waren rechtschaffen müde und verzogen uns ins Bett und durften bei Flamencogesängen einschlafen.
Hier endet der fotografische Teil und die Geschichte unserer ganz speziellen Jueves-Santo-Erlebnisse folgt.
Manchmal auch mit:

Sicher braucht‘s ein klein wenig einen katholischen Hintergrund, viel Empathie auch eine positive Grundhaltung zu andalusischem Brauchtum, um auch nur ansatzweise das Geschehen zu verstehen und emotional nachempfinden zu können.
Ich glaube behaupten zu dürfen, dass wir diese Voraussetzungen weitgehend erfüllen und wenn auch wir nicht alles so ganz „verdauen“ können, so liegt das dann wohl daran, dass wir eben doch keine Andalusier sind.
Das Programm des Jueves Santo beginnt um 17 Uhr mit einer Messfeier und der traditionellen Fußwaschung. Bis dahin haben wir noch ein wenig Zeit und spazieren derweil durch die geschmückten, menschenleeren Gassen des Ortes
Ob es wegen der Fußwaschung war, weshalb mein Begleiter freiwillig mitgegangen ist, hat er mir nicht verraten. Jedenfalls saßen wir um punkt 17 Uhr in einer der hinteren Kirchenbänke.
Die Glocken hatten aufgehört zu läuten und eigentlich hätte die Messe nun beginnen sollen. Außer uns gab es nur noch so etwa 20 Leute in der Kirche. Hm, eigentlich hatten wir erwartet, dass mehr Leute am Gottesdienst teilnehmen würden.
Ein hagerer älterer Herr wuselte am Altar herum, stellte hier noch etwas hin und dort und schaute immer, ob noch was fehlte oder so.
Und dann dachten wir, in eine Filmkulisse geraten zu sein und hielten Ausschau nach den Kameras. Aber es war kein Film, der da ablief, es war alles live und ungefiltert, was sich hier abspielte. So habe ich mal versucht, all unsere Beobachtungen in Worte zu kleiden.

Draußen hatten wir einen Herrn in etwas ärmlicher brauner Kutte gesehen, der uns freundlich grüßte. Ein Mönch? Langsam kamen mehr Leute und die Kirche füllte sich.
Und dann kam ER, ein Mann so zwischen 50 und 65 – schwer zu schätzen; robuste, stämmige Figur, wettergegerbte braune Hautfarbe und graue, kurze Haare, die von einer hochgeschobenen Sonnenbrille gekrönt wurden. Nicht unattraktiv, der Typ, dachte ich wie er so selbstbewusst durch den Mittelgang ging und alle möglichen Leute begrüßte und anderen aus der Ferne zuwinkte.
Mein Begleiter wunderte sich ein wenig. Bei all den Leuten, die heute ihr Feiertagsgewand trugen, marschierte ER mit brauner formloser Hose, abgewrackten Turnschuhen mit grober Wandersohle und grauem Pullover, der auch schon mal bessere Tage gesehen hat, kreuzfidel durch die Kirche in den Altarraum, wobei ihn jede Menge Kinder begeistert folgten.
„Du, das ist der Priester dieser Gemeinde“ flüsterte ich meinem Begleiter zu. „Du spinnst .. . „ gab dieser zurück „das ist nie und nimmer der Pastor, der fängt hier gleich an, Lose von Once zu verkaufen, schau doch nur, wie der rumläuft“
„Warts nur ab“ grinste ich; wetten tut man ja nicht in der Kirche, sonst hätte ich die Wette nämlich glatt gewonnen.
Kurze Zeit später kommt er mit dem kindlichen Gefolge im Messgewand aus der Sakristei und die Messe beginnt. Die Sonnenbrille hatte er jetzt aber vom Kopf genommen.
Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass nicht alles in dieser Messe so lief, wie es eigentlich laufen sollte.
Erst hatten sie vergessen, die Lautsprecher einzuschalten. Machte aber nichts, denn die gewaltige Stimme des Pastors drang auch so bis in den letzten Winkel des Gotteshauses. Als jedoch die Lautsprecher eingeschaltet waren, fielen uns fast jedesmal die Ohren ab, wenn der Pastor zum mitsingen anhob.


Das Mikrofon stand ja vor dem Pastor auf dem Altar und so bekam die ganze Gemeinde natürlich alles lautstark mit, was da so an Pannen ablief.
Nach der Lesung, so ist es hier Sitte, wird das Meßbuch von Priester und Meßdienern als Symbol der Verehrung geküßt. Dem Priester schien es aber bei seinen Meßdienerinnen nicht schnell genug zu gehen und so half er schnurstracks ein wenig nach, indem er das Meßbuch schon ein wenig heftig dem Mund der Meßdienerin näherbrachte.
Krass ausgedrückt würde man jetzt auch sagen können: Er schlug ihr fast das Meßbuch vor den Mund. Es lag schon eine gewisse Komik in dieser etwas robusten Geste.
Dann kam die Fußwaschung, eine der rituellen Gründonnerstags-zeremonien in der der Priester seinen Dienst am Nächsten als wichtige Aufgabe demonstriert.
Unser Priester hier in Alboloduy wird nun also den 12 Herren der Bruderschaften des Ortes die Füße waschen. Mit einem Waschgeschirr, wie wir alle es noch aus den 50er Jahren kennen, zogen die Meßdienerinnen mit ihrem Pastor los, um den Jungs der Bruderschaften die Füße zu waschen. Ob es daran lag, dass sich der an sich recht wendige Pastor nicht richtig bücken konnte? Jedenfalls ließ er zwar das Wasser aus der Kanne über die Füße der Männer laufen, gewaschen haben aber zumeist die Kinder den Männern die Füße und mein Begleiter grinste mich verständnisinnig an.
Bei der Wandlung vergaßen die Messdienerinnen die Altarschellen zu läuten und als der Pastor sie darauf aufmerksam machte, fanden sie die Schellen nicht. Eigentlich ein Unding für streng katholische Gemeindemitglieder. Doch hier nahm man alles recht gelassen.
Und dann fragte der Priester während des Hochgebets doch tatsächlich die Mädels (wohl um sie zu prüfen): „Na, wie heißt denn unser Papst?“ und alles war bis in die letzte Bankreihe zu hören. Eine der Kleinen antwortete: „Franziskus“ und der Pastor betete weiter: „. . . vereint mit unserem Papst Franziskus. . .“
Zum Schluss gab es dann noch eine größere Panne, die für Aufregung sorgte: Wo ist die Monstranz? Der dünne ältere Mann lief aufgeregt in die Sakristei – es dauerte und dauerte und dauerte und letztendlich musste der gute Pastor improvisieren. Weder der dünne Mann noch die kostbare Monstranz wurden bis zum Ende der Messe gesichtet.
Das wär der Stoff, aus dem ein Krimi um die Semana Santa entstehen könnte, in einem kleinen Dorf in den Alpujarras.
Nach Beendigung der Messe zog die Prozession mit 4 Pasos durch die Gassen der Stadt. Fast alle Einwohner haben daran teilgenommen, viele als Bruderschafts- oder Orchestermitglied.
Wenn man bedenkt, dass dieser Ort nur etwa 700 Einwohner hat, so bringen sie schon wirklich was auf die Beine: 4 Bruderschaften und ein hervorragendes Orchester.

Es gab übrigens keinen einzigen Polizisten im Ort, in Alboloduy klappt scheinbar alles ganz von selber.
Hasta la proxima